

Die 1853 gegründete Börse, untergebracht in dem monumentalen neuba-
rocken Bau in der Taborstraße, wurde zur wirtschaftlichen Drehscheibe
der k.u.k. Monarchie, das Handelszentrum für landwirtschaftliche Produk-
te aus Zentraleuropa.
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Los 467
Ausruf 250 €
Wiener Lokomotivfabrik AG
Wien, Aktie 1.000 x 1.000 RM 8.5.1940 (Zwi-
schenschein, R 12), ausgestellt auf die Firma
Henschel & Sohn GmbH, Kassel (die 1938 die Ak-
tienmehrheit erworben hatte) VF. #8. (70)
Originalunterschriften, abgestempelt für Dividenden-
zahlungen 1942 und 1943. Nur dieses eine Stück ist
seit langem bekannt.
Gegründet 1869. Das Werk in Floridsdorf war nicht nur die größte Loko-
motivfabrik des Landes, sondern produzierte ab 1927 auch Motorstra-
ßenwalzen. Alle österreichischen Lokomotivfabriken kamen unter ein
Dach mit der 1930 erfolgten Übernahme der Lokomotivabteilung der
Staats-Eisenbahn-Gesellschaft, der Krauss-Lokomotivfabrik in Linz sowie
der Fusion mit der Lokomotivfabrik Sigl in Wiener Neustadt. (Gegründet
bereits 1842 als erste Lokomotivfabrik der Donaumonarchie in Wiener
Neustadt durch den Ingenieur Wenzel Günther. 1861 verkaufte er an den
Wiener Maschinenfabriksbesitzer Georg Sigl, der das Unternehmen zur
größten Maschinenfabrik des Landes ausbaute. 1870 verließ die 1.000ste
Lokomotive das Werk, das inzwischen 4.000 Mitarbeiter hatte. 1875 Um-
wandlung in eine AG. Am 10.7.1916 zerstörte ein TORNADO die Fabrik
vollständig, nur das Einfahrtstor blieb stehen, es ist heute denkmalge-
schützt und der Österreichischen Arbeiterbewegung gewidmet). Börsen-
notiz Wien. 1942 wurde aus der ehemaligen Lokomotivfabrik die Rax-Wer-
ke GmbH, ab 1943 wurden hier auch Teile für die V2-Raketen gebaut. Die
Rax-Werke waren von Anfang an ein Rüstungsbetrieb von Floridsdorf und
galten als Außenlager des KZ Mauthausen. 1946 verstaatlicht und 1956
mit dem ebenfalls verstaatlichten Waggonbauer Simmering-Granz-Pauker
AG verschmolzen, was das Ende der Wiener Lokomotivfabrik bedeutete.
Die SGP wurde in den 1990er Jahren von Siemens übernommen und fir-
miert heute als Siemens Transportation Systems.
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Los 468
Ausruf 100 €
Wiener Messe-AG
Wien, Aktie 100 x 10 S 1.1.1922 (R 9) VF+.
#146501-600. (32)
Sehr dekorativ gestaltet: Messe-Signet in der Um-
rahmung, große Ansicht der Rotunde im Unterdruck.
Bislang vollkommen unbekannt gewesene Ausgabe.
Lediglich 9 Stück dieses höchsten Nennwertes lagen
im Reichsbank-Schatz.
Zu den maßgeblichen Gründern zählten 1921 der Österreichische Bun-
desstaat, die Stadt Wien und die Handels- und Gewerbekammer. Als
Messeräumlichkeiten dienten die gegen einen Anerkennungszins gepach-
teten früheren Hofstallungen, Teile der Hofburg und die Rotunde sowie
Teile der Stiftskaserne. Veranstaltet wurden Mustermessen zweimal jähr-
lich im Frühjahr und im Herbst. Ferner war die Gesellschaft mit der Füh-
rung der Geschäfte der Fremdenverkehrskommission betraut. 1949 Hin-
zuerwerb von 8 Messehallen auf dem Rotundengelände von der Gemein-
de Wien. Die Aktien waren in Wien börsennotiert. Eine der ersten “Ge-
winn-Messen” in Wien haben wir noch selbst als Aussteller in der Rotun-
de erlebt: Erst in den 1990er Jahren zog die Wiener Messe auf das neue
Messegelände neben dem Prater um.
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Los 469
Ausruf 5.000 €
Wir Joseph der Zweyte von Gnaden
erwählter Römischer Kaiser, zu allen
Zeiten Mehrer des Reiches, König in
Germanien, zu Jerusalem, Ungarn,
Böheim, Dalmatien, Erzherzog zu
Oesterreich...
Wien, Schuldbrief 8.854.000 Gulden Verzinsung
30 1/4 % und 4.800.029 Gulden Verzinsung 17
1/2 % 19.3.1786 (
R 12
) EF-VF. (63)
Mit
eigenhändiger Unterschrift von Joseph dem
Zweiten und dem Finanzminister Graf von Zinzen-
dorf
(1739-1813, ab 1782 von Joseph zum Präsiden-
ten der neuen Hofrechenkammer berufen). Mit gro-
ßem kaiserlichen papiergedeckten Siegel. Geschicht-
lich bedeutendes Unikat.
Joseph II. (geb. 13. März 1741 in Wien, gest. am 20. Febr. 1790 in Wien)
war der erste Herrscher der Dynastie Österreich-Lothringen (spätere Be-
zeichnung: Habsburg-Lothringen). Seine Krönung zum Römischen König
erfolgte am 3. April 1764. Als Nachfolger seines Vaters Franz I. von Loth-
ringen wurde er am 18. August 1765 Kaiser des Heiligen Römischen Rei-
ches, am 23. Sept. desselben Jahres Mitregent seiner Mutter Maria There-
sia in der Monarchie des Hauses Österreich. Am 29. Nov. 1780 erbte er de-
ren Staaten und wurde dadurch König von Ungarn, Böhmen etc. Joseph II.
ist einer der bekanntesten Vertreter des aufgeklärten Absolutismus. Er war
ein den Ideen des aufgeklärten Rationalis-
mus verpflichteter Monarch, der zahlreiche,
zum Teil tief greifende Reformen im Sinne
der “Nützlichkeit” in der Habsburgermonar-
chie durchführte. Auf dem Gebiet des
Rechtswesens, der Medizin, in der Admini-
stration und in der Religionspolitik, aber
auch im Bereich des Theaters und Musik-
theaters setzte er wichtige Impulse, die zum
Teil noch lange fortwirkten. Joseph II. ver-
suchte den Einfluß des Adels und des Klerus
zurückzudrängen. Die Leibeigenschaft der
Bauern wurde durch das Leibeigenschafts-
aufhebungspatent am 1. Nov. 1781 aufge-
hoben. In Erinnerung an diese Reform wurde
er im Volk als “Joseph - Bauernbefreier” verehrt und im 19. Jh. wurden ihm
zu Ehren viele Kaiser-Josef-II.-Denkmäler errichtet. Die adligen Ständever-
sammlungen wurden zugunsten von Staatsbeamten zurückgedrängt. Er
versuchte aus Österreich einen Einheitsstaat mit (Hoch-)Deutsch als
Staatssprache zu machen. Ein anderer Aspekt war seine Kunstpolitik. So
wurde das Burgtheater zum deutschen Nationaltheater erklärt und der
Komponist Wolfgang Amadeus Mozart wurde 1782 beauftragt, mit der Ein-
führung aus dem Serail die Gattung des Singspiels in deutscher Sprache
auf ein künstlerich ernstzunehmendes Niveau zu heben. 1789 erteilte er
Mozart auch den Auftrag zu dessen Oper Cosi van tutte. Bemühungen in
seiner Gesundheitspolitik bewirkten die Gründung des Allgemeinen Kran-
kenhauses und des Josephinums (einer Ausbildungsstätte für Militärärzte).
Das Allgemeine Krankenhaus war ein Lieblingsprojekt des Kaisers, mit
dem er sich äußerst detailliert befasste - unter anderem in der Planung des
sog. Narrentums, einer Verwahranstalt für Geisteskranke. Andere Refor-
men waren die Religionsfreiheit für Christentum und Judentum in den To-
leranzpatenten von 1781 und 1782, Schutzzölle für den Handel, Grund-
steuer für den Adel, Gründung von Waisen- und Armenhäusern, Verban-
nung der Friedhöfe aus den Städten, um das Grundwasser zu schonen,
Einrichtung eines steirischen Volksmuseums, Neugründung von Pfarren,
Auflösung von Klöstern, Verringerung des päpstlichen Einflusses, Verbot
von “abergläubischen” Bräuchen der Kirche. Sein Reformwerk scheiterte
letzlich am offenen und versteckten Widerstand der alten Eliten bzw. an der
Tatsache, dass er nur zehn Jahre regiert.
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Joseph II. der Reformator und Bauernbefreier