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Los 1108

Ausruf 7.000 €

Bank für Handel und Industrie

Darmstadt, Actie 1.000 Mark 21.4.1902 (Auflage

13940, R 10) VF. #128020. (65)

Faksimile-Signatur Stephan Carl Michel (1839-

1906) als Aufsichtsratsvorsitzender, Großherzo-

glich-Hessischer Geheimer Kommerzienrat.,

Teilhaber und Aufsichtsratsvorsitzender der

Mainzer Lederwerke, Ehrenbürger der Stadt

Mainz. Mit Kupons ab 1921.

Gegründet bereits 1853 “auf Grund Grossherzogli-

cher Concession”. Damit war die BHI nach dem A.

Schaafhausen’schen Bankverein in Köln (1848) die

erste Universal-Aktienbank in Deutschland über-

haupt. Interessanter Weise übrigens entstanden die

Aktienbanken der 1850er Jahre (so weiter u.a. 1854

mit der Braunschweigischen Bank und 1856 mit der

Hannoverschen Bank, der Leipziger Credit-Anstalt,

der Mitteldeutschen Creditbank in Meiningen, der

Credit- und Versicherungs-Bank in Lübeck, der Pri-

vatbank zu Gotha und der Norddeutschen Bank in

Hamburg) ausschließlich in den deutschen Kleinstaa-

ten. In Preußen blieb zunächst allen Gründungsvor-

haben für neue Aktienbanken die erforderliche staat-

liche Zustimmung versagt. So fanden die wenigen

bestehenden Aktienbanken ein weit über die jeweili-

gen Landesgrenzen hinausgehendes Betätigungs-

feld, was bei der BHI beispielsweise darin gipfelte,

daß sie 1869/70 für die ungeheure Summe von 67

Mio. Thaler (davon zahlbar 11 Mio. in bar, weiterhin

64 Jahre lang jährlich 875.000 Th.) vom Herzogtum

Braunschweig die Braunschweigischen Staatseisen-

bahnen kaufte und sie in eine eigene Aktiengesell-

schaft (Braunschweigische Eisenbahn-Gesellschaft)

einbrachte. Um dieses Prestigegeschäft hatten sich

auch die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn-

Gesellschaft, der Eisenbahn-Baron Dr. Strousberg

und die Disconto-Gesellschaft in Berlin bemüht.

Ab 1900 stieß die Bank für Handel und Industrie durch

eine ungeheure Expansionspolitik in den Kreis der

Großbanken vor. Meist durch Übernahme ortsansässi-

ger Bankhäuser brachte es die Bank in nur 20 Jahren

zu Filialen in Augsburg, Braunschweig, Breslau, Dort-

mund, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt a.M., Fulda,

Halle (Saale), Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig,

Mainz, Mannheim, München, Nürnberg, Stettin,

Strassburg i.E., Stuttgart, Trier, Wiesbaden und Würz-

burg. Diesen Filialen waren im ganzen deutschen

Reich weitere 62 Niederlassungen angeschlossen. Die

Zentrale der Bank wurde nach Berlin (Schinkelplatz 1-

4) verlegt, wo außerdem noch 35 Depositenkassen er-

öffnet wurden. Meilensteine der Expansion waren:

1902 die Angliederung der Bank für Süddeutschland in

Darmstadt (die dabei auf ihr Notenprivileg verzichtete),

1904 die Übernahme des traditionsreichen Berliner

Privatbankhauses Robert Warschauer & Co., 1910 die

Übernahme der Bayer. Bank für Handel und Industrie

in München, 1913 die Übernahme der Breslauer

Disconto-Bank mit allen Filialen. 1922 dann der große

Coup: Die Bank für Handel und Industrie wird mit der

1881 in Berlin gegründeten Nationalbank für Deutsch-

land zur “Darmstädter und Nationalbank KGaA” ver-

schmolzen. 1923 erwarb das fusionierte Institut eine

Beteiligung an der Danziger Bank für Handel und Ge-

werbe, gründete 1924 die Internationale Bank te Am-

sterdam und übernahm 1931 das traditionsreiche

Hamburger Bankhaus Joh. Berenberg-Gossler & Co.

Die Aktien der DANAT-Bank notierten an 14 deut-

schen Börsen: Berlin, Frankfurt a.M., Hamburg, Mün-

chen, Leipzig, Bremen, Breslau, Dresden, Düsseldorf,

Essen, Köln, Magdeburg, Stuttgart und Chemnitz.

Üppige Dividenden von 10-12 % wiegten auch die

Aktionäre in Sicherheit. Dann der Schock am

13.7.1931: “Nach ausserordentlich starken, sich

ständig steigernden Kreditkündigungen, zuerst sei-

tens unserer ausländischen, sodann unserer inländi-

schen Gläubiger, sehen wir uns gezwungen, zum

Schutze der Gesamtheit unserer Gläubiger unsere

Schalter vorübergehend zu schließen.” Die Reichsre-

gierung ermächtigte die Bank zu folgender Erklärung:

“Die Reichsregierung wird auf Grund einer im Laufe

des heutigen Tages ergehenden Notverordnung des

Herrn Reichspräsidenten durch volle Garantielei-

stung für alle Einlagen für eine ruhige Abwicklung der

Geschäfte der Danatbank Sorge tragen.” Die DANAT-

Bank hatte sich in der Weltwirtschaftskrise mit Kre-

ditgewährungen zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Als einer ihrer Großkunden, der berühmt-berüchtigte

Bremer NORDWOLLE-Konzern, fallierte, riß das die

Bank mit in den Abgrund. Der Zusammenbruch der

DANAT-Bank war der Kristallisationspunkt enormer

wirtschaftlicher Turbulenzen in der Weimarer Repu-

blik, die mit dem dadurch verursachten Elend breiter

Schichten in letzter Konsequenz zur Machtergreifung

durch Hitler führten. Die DANAT-Bank wurde schließ-

lich 1932 auf die Dresdner Bank verschmolzen, und

zwar im Rahmen eines im Einvernehmen mit der

Reichsregierung bei der Bereinigung der Bankenkri-

se aufgestellten Rekonstruktionsplanes für die

Dresdner Bank.

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Expansion - Verschmelzung zur DANAT-Bank - Konkurs

Der Zusammenbruch der NORDWOLLE riß die Bank in den Abgrund

Ehemaliges Gebäude der Bank für Handel und Industrie,

Am Alten Bahnhof 6 in Darmstadt