

Eine finanzhistorische Delikatesse mit hochinteressan-
ter Geschichte, noch dazu grandios gestaltet mit Abb.
eines Dampfschiffs und einer Lokomotive in der reich
verzierten Ornament-Umrahmung. Die Gründeraktien
wurden 1877 anläßlich eines Kapitalschnitts 2:1 in
neue 600-Mark-Aktien umgetauscht. Schon damals
muß dieses bis 2004 ganz unbekannte Stück dabei
vergessen worden sein. Nur 5 Stücke waren 2004 in
norddeutschem Privatbesitz gefunden waren und ka-
men über die Jahre an den Markt. Mit Restkupons.
Friedrich Wöhlert (1797-1877) arbeitete bis 1836 bei der Neuen Berliner
Eisengießerei, wechselte dann zu August Borsig (wo er am Bau von des-
sen erster Lokomotive beteiligt war) und sammelte ab 1841 Erfahrungen
im Bankgeschäft bei der Preußischen Seehandlungs-Societät (später
die Preußische Staatsbank). 1843 gründete er an der Chausseestraße in
unmittelbarer Nachbarschaft der Borsig’schen Fabrik seine eigene Ma-
schinenbau-Anstalt. Weitere Nachbarn im damals berühmten “Maschi-
nenbau-Viertel” waren die Fabrikanten Egells mit der ersten nichtstaatli-
chen Gießerei und Schwartzkopff, ebenfalls eine Größe im Lokomotiv-
bau. Neben Lokomotiven (deren erste er 1848 ablieferte) produzierte
Wöhlert Werkzeugmaschinen und Eisenkonstruktionen. Angesichts sei-
nes fortgeschrittenen Alters und der ungelösten Nachfolger-Frage ließ er
sich 1872, wie viele andere angesehene und erfolgreiche Unternehmer
seiner Zeit auch, von Berufs-Gründern beschwatzen, seine Fabrik in ei-
ne Aktiengesellschaft umwandeln zu lassen; für kurze Zeit wurde Frie-
drich Wöhlert AR-Vorsitzender. Vor der bald folgenden Krise beschäftig-
te die Fabrik nun über 1.000 Menschen, fast wie am Fließband lieferte
sie jeden zweiten Arbeitstag eine fertige Lokomotive ab. 1880 übernahm
die AG in Ostpreußen auch noch die Waggonfabrik der in Konkurs gera-
tenen Elbinger AG für Fabrikation von Eisenbahnmaterial (deren Vorbe-
sitzer bis zum Konkurs 1875 der berühmt-berüchtigte Eisenbahnbaron
Bethel Henry Strousberg gewesen war). Über die Wöhlert’sche Grün-
dung fallen zeitgenössische Berichte nicht besonders wohlwollend aus:
Wie üblich kauften Hermann Geber und Consorten die Fabrik zunächst
auf eigene Rechnung vor, um sie dann für die kolossale Summe von fast
10 Mio. Mark der neu gegründeten Aktiengesellschaft aufzubürden. Bald
darauf ging die Lokomotivproduktion in freiem Fall von in der Spitze 130
Maschinen auf 1 herunter. Im letzten Jahr, für das noch Zahlen erhältlich
waren (1880), betrug der Umsatz 115.000 M. Einen Ausgleich für die
dramatischen Absatzeinbrüche suchte die Verwaltung in einer Auswei-
tung des Produktionsprogramms: Ab 1879 Fabrikation landwirtschaftli-
cher Maschinen, ab 1880 wurden auch Dampfdroschken (System Bol-
lée) gebaut. Damit ist Wöhlert, was bisher überhaupt nicht bekannt war,
zugleich auch DER ÄLTESTE DEUTSCHE AUTOMOBILPRODUZENT!
(Quelle: Graf von Seherr-Thoss, “Die deutsche Automobilindustrie”, DVA
Stuttgart 1974). Dies war fünf Jahre bevor 1885 Daimler zum ersten Mal
mit seinem Motorrad durch die Straßen von Cannstadt fuhr und Benz die
ersten Probefahrten mit seinem Motorwagen machte! Dem Markterfolg
des Bollée-Wöhlert-Dampfomnibus machten allerdings die Berliner Be-
hörden ein Ende: Wegen der Beschädigungen des Straßenpflasters
durch das 5-Tonnen-Ungetüm ordneten sie den Abbruch der sehr er-
folgversprechenden Probefahrten des fix und fertig durchkonstruierten
Fahrzeuges an. 1883, sechs Jahre nach dem Tod des alten Wöhlert und
40 Jahre nachdem er die Fabrik gegründet hatte, ging die einstmals
hochbedeutende Firma endgültig den Bach runter: Schon Anfang 1880
war die Platzierung einer Anleihe zur Ablösung der drückendsten Schul-
den und zum Erwerb der Elbinger Fabrik ein Mißerfolg, Ende 1881 un-
ternahm die Firma mit der (am Ende ebenfalls erfolglosen) Ausgabe von
Prioritäts-Actien einen letzten verzweifelten Versuch, ihre finanzielle La-
ge zu stabilisieren. Die AG-Gründung war von Anfang an eine solch of-
fensichtliche Beutelschneiderei gewesen, dass schon 1872 nicht ge-
zeichnete Teile der Aktienplatzierung wie sauer Bier angeboten werden
mussten. In einer Zeit, wo üblicherweise alles überzeichnet wurde, er-
regte das schon Argwohn. Zur Rechenschaft gezogen wurde aber auch
im Fall Wöhlert niemand: Als sich der Staatsanwalt mit der Sache be-
schäftigte, wollte keiner der Gründer (darunter der Reichstagsabgeord-
nete Braun-Wiesbaden) den Prospekt unterzeichnet haben. “Der Pro-
spekt scheine,” so heißt es in Berichten darüber sarkastisch, “gleichsam
vom Himmel gefallen zu sein”. Ein Verantwortlicher wurde schließlich ge-
funden und derselbe hatte den besonderen Vorzug, dass er schon län-
gere Zeit zuvor mit dem Pferd im Tiergarten zu Tode gestürzt war und
deshalb nicht mehr widersprechen konnte.
N
Los 1094
Ausruf 150 €
Falkensteiner Gardinen-Weberei
und Bleicherei
Falkenstein i.V., Aktie 1.000 Mark 25.3.1889.
Gründeraktie (Auflage 1000,
R 12
) VF. #377. (22)
Nicht lochentwertet.
Gründung 1889 mit einem Aktienkapital von 1 Mio M. Hersteller von Tüll-
gardinen, Stores, Decken, Borden, Spannstoffen, Bettdecken. 1948 Sitz-
verlegung nach Neuss/Rhein, 1953 nach Mering bei Augsburg. 1974 Um-
wandlung in eine GmbH. 1994 Insolvenzverfahren, 1995 Stilllegung.
N
Los 1095
Ausruf 150 €
Feinspinnerei Schlettstadt AG
Schlettstadt i. E., 4,5 % Schuldv. 400 Mark
3.10.1908 (Auflage 5500, R 10) VF-. #869. (70)
Originalunterschrift des Gründers Paul Jos. Heinrich
Cuny. Uns ist überhaupt nur dieses eine Stück be-
kannt!
Gegründet am 30.12.1907 (eingetragen am 19.6.1908) zum Betrieb einer
Spinnerei, die ägyptische und amerikanische Baumwolle verarbeitet. Der
Gründer Paul Jos. Heinr. Cuny brachte Grundstücke in der Grösse von
zus. 9 ha 28 a 65 qm in der Gemarkung Schlettstadt gelegen, in die Ges.
ein, wofür derselbe 52 vollbez. Aktien à 1.000 Mark erhielt.
Los 1097
Ausruf 75 €
Freiburger Wolf-Leckerle-
und Keksfabrik AG
Freiburg i. Brsg., Aktie Lit. C 5.000 Mark
19.3.1923 (Auflage 8000, R 9) EF. #7018. (67)
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Ein Grundstein zur Entstehung unseres Straßensystems
Friedrich Wilhelm der IV. bestätigte das Statut - heute Teil der Bundesstrasse 87
Los 1096 Ausruf 6.000 €
Frankfurt a.d.O.-Leipziger Chaussee-Gesellschaft
Lübben, Actie 50 Thaler 3.6.1858 (
R 12
) VF. #158. (16)
Schöne barocke Umrahmung, fünf Originalunterschriften. Eine der Gesellschaften, die den Grundstein zur Ent-
stehung unseres heutigen überregionalen Straßensystems legte: sie baute den östlichen Streckenabschnitt der
heutigen Bundesstraße 87 (Ilmenau - Frankfurt a.d.O.)
Unikat
aus einer alten Sammlung. Fehlstellen fachgerecht
restauriert.
Anfang des 19. Jh. stand der Staat der Gründung von Chausseebaugesellschaften als private Aktiengesellschaften sehr aufgeschlossen gegenüber, so auch
bei dieser Gesellschaft, bei der der König vom Preußen am 20. Nov. 1854 das Statut bestätigte. Von der zu überbrückenden Entfernung her war dies das grös-
ste private Strassenbauprojekt aller Zeiten in Deutschland. Der Chausseebau in Preußen diente sicher auch militärischen Zwecken, vor allem aber schuf er
noch vor Beginn des Eisenbahnbaues die Voraussetzungen für einen funktionierenden Warenaustausch in der frühindustriellen Epoche. Die Wirtschaft der
Stadt Frankfurt a.d.O. hing im großen Maße von der Handelsmesse ab. Ständige Handelsbeschränkungen führten zur Abwanderungen der Messegäste nach
Leipzig. Mit der Durchsetzung der freihändlerischen Grundsätze und der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durch den Bau von befestigten Kunststraßen,
den Chaussees, erholte sich allmählich die Zahl der nach Frankfurt kommenden Meßfremden. Die 1854 begonnene Kunststraße von Frankfurt a.d.O. nach
Leipzig wurde 1856 bis Müllrose gebaut. Nach der Verstaatlichung dieser Chausseebau-Gesellschaft bildete die noch im Jahr 1856 bis nach Beeskow wei-
tergebaute Strecke einen Teil der preußischen Staatschaussee Nr. 33, die bis nach Leipzig führte.
Anschlussstelle Frankfurt/Oder-Mitte, an der
Reichsstrafle 87 (heute B87 Frankfurt-Ilmenau)
Los 1094